Preisträger 2017
Die fünfköpfige Jury des 3. Freisprung Theaterfestivals – das Nachwuchsfestival für Freie Tanz- und Theaterschaffende in Mecklenburg-Vorpommern – hat am Sonntagabend ihre Entscheidung bekanntgegeben.
Den dritten Preis mit einem Preisgeld von 500 Euro teilen sich die Studenten des 2. und 3. Studienjahres der Theaterakademie Vorpommern unter der Leitung von Swentja Krumscheidt („Der Kirschgarten“) und Jana Sonnenberg („Amors Dilemma“).
Beides sind Ensembleproduktionen im besten Wortsinn, mit viel Spiel- und Experimentierfreude. „Der Kirschgarten“ kommt zu Anfang recht holzschnittartig daher, Tschechows psychologische Figurenzeichnung wird durch anarchische und clowneske Regieeinfälle aufgebrochen. Umso überraschender kommen dann doch noch feinere Charakterzeichnungen und interessante schauspielerische Momente zum Tragen, der Abend steigert sich im Verlauf zu spannender Dichte. “Amors Dilemma“ erzählt im engeren und weiteren Sinne von Liebe und entdeckt dabei die ganze staunenswerte Vielfalt von Puppen- und Objekttheater. Daß dabei inhaltlich und handwerklich unterschiedlichen Level erkennbar sind, ist für Schauspielstudenten im 2. Studienjahr selbstverständlich – nicht selbstverständlich und preiswürdig ist neben den durchweg amüsanten und teils auch berührenden Geschichten der Ensemblegeist und das ausgewogene Verhältnis von Kreativität der Studierenden und feinfühliger Anleitung durch die Lehrende.
Der zweite Preis mit einem Preisgeld von 750 Euro geht an das Theater Choochoo mit Däumelinchen.
Ein gutes Beispiel dafür, daß es nicht viel äußeren Aufwand, sondern nur ein klares Konzept und originelle Einfälle braucht, um die Phantasie junger wie alter Zuschauer gleichermaßen zum Fliegen zu bringen. Die Geschichte ist gut durchdacht und lebendig erzählt, die vielfältigen Mittel – Sprache, Gesang, Bewegung, Musik, Puppen- und Schattenspiel – werden souverän gehandhabt und fügen sich unaufdringlich zu einem Gesamtwerk von poetischer Leichtigkeit. Hut ab nicht nur vor einem kleinen Wesen, das seine Eigenständigkeit zart, aber entschieden gegen allerlei Vereinnahmung behauptet, sondern auch vor den Gewinnern des Preises: Franziska Hoffmann und Joel Grip!
Und die Skulptur „Applausmaschine“ der Künstlerin Barbara Wetzel sowie das Preisgeld von 1000 Euro erhält die Gewinnerin des ersten Preises Miss Allie mit ihrem Programm „Miss Allie – mein Herz und die Toilette“.
Hier wird man als Zuschauer von der ersten Sekunde an eingebunden und mitgenommen, hier sind Kopf und Herz gleichermaßen angesprochen, hier füllt jemand den Raum und bezaubert mit einer so unangestrengten Natürlichkeit und Bühnenpräsenz zugleich, dass man man aus dem Staunen nicht heraus kommt. Alles, was sie tut, hat sie sich selber geschrieben und beigebracht, sie wirkt völlig aus sich heraus, dabei ganz ohne plumpe Gags und Ranschmeißerei. Die inhaltliche Klammer um das Ganze, die Suche nach ihrem verlorengegangenen Herzen, könnte in anderer Verarbeitung larmoyant oder trivial erscheinen, ihre Lieder sind es nicht. Sie zeigen ein schönes, eigentlich zartes Wesen, das sich mit Witz und Frechheit doofer Rollenbilder erwehrt, Frauen aus der Seele singt und Männer ebenso umwirbt wie vorführt. Hier und da ist sie offen politisch, indirekt und in einem weiteren Sinne fast immer. Da sie zugleich aber jeden im Publikum als Menschen auf Augenhöhe anspricht und selbst als Mensch erkennbar ist, nimmt ihr niemand etwas krumm; selbst üblicherweise fürchtenswerte Mitsing-Rituale werden unter ihrer freundlichen Führung zum fröhlichen Happening. Und das wirkt sogar noch fort, wenn sie sich umziehen geht – das muß ihr erstmal jemand nachmachen. Der einzig mögliche Einwand gegen eine Preisvergabe in diesem Rahmen, den man als guter deutscher Schubladendenker haben könnte, daß sie nämlich eher in die Kategorie Singer/Songwriter gehört, kann höchstens die Veranstalter treffen, die für die Vorauswahl verantwortlich sind – wer teilnimmt, darf schließlich auch gewinnen. Wir sind glücklich, daß das Herz am Ende wieder da ist, denn es wird dringend gebraucht, im Privaten, in der Welt und im Theater.