Preisträger*innen 2022
1. Preis
Alice im All
Text / Alice: Claudia Roik
Musik / Abraxas: Benjamin Saupe
Photos © Beate Nelken
2. Preis
Paperlicious
Regie / Puppenspiel: Evi Arnsbjerg Brygmann und Bianka Drozdik
Szenografie / Pippen: Andrea Lindeneg
Musik: Christoffer Høyer
Photos © Beate Nelken
3. Preis
Zazie in der Metro I Clockwork Orange
Zazie in der Metro: Kollektiv Panne Fatale
Puppenspiel- und bau: Odile Pothier und Gerda Pethke
Outside Eye: Lotta Lechtenberg
Live Musik: Florian Seefeldt
Clockwork Orange: Studierende der Theaterakademie Vorpommern in Zinnowitz
Timothy Gramsch, Milan Zielnoik, Anneke Höper, Friederike Mertin, Josephine Lehmann
Regie: Anna Jamborsky
Photos © Beate Nelken
Photos © Beate Nelken
ZAZIE in der Metro
Herausragend gutes Körperspiel, präzise und auf den Punkt gebracht. Gut koordinierte Choreografie mit toller Dynamik, was dazu führte, dass alles glaubhaft rüberkam. Die Stimmen haben wunderbar voneinander abgenommen. Skurrile Überraschungen und großartiges Zusammenspiel mit dem Musiker, der ebenso großartig die Atmosphäre überhöhte, dass es einen hineinzog in das Spiel. Paris entstand fast real. Vielfältigste Räume wurden aufgemacht und hatten wunderbare Nuancen. Die große Leidenschaft der Spielerinnen und des Musikers steckten an in aller Lebendigkeit und haben mit jeder Figur einen kleinen Kosmos erschaffen. Das alles kann passieren, wenn die Metro streikt und sich die Erwartungen eines Kindes nicht einlösen. Dann fegt Zazie mit Ihrer Energie die Erwachsenenwelt aus alle Fugen.
ALICE im All
Gebannt und mitgenommen waren wir Zuschauer und erlebten wie das Kirchenschiff zum Raumschiff wurde und waren mit dabei auf dieser gewaltigen, hochemotionalen Fahrt. Durch die imposante Musik aus der Orgel zog es uns in das Weltall und wir tauchten durch das virtuose Spiel von Alice (Claudia Roik) in so viele hochemotionale Räume ein, die erzählten von Sensibilität und Spiritualität, von Sehnsucht, Einsamkeit, von Suche und Hoffnung, von Enttäuschung und Angst und noch so viel mehr. Sprache und Musik spielten so perfekt zusammen wie Takt und Fuge. Der Text großartig zusammengefügt aus beiden Alice Erzählungen, ließ uns zwischen kleinen und großen Räumen switchen, uns in Bilder verlieren, selber immer neue Bilder vor dem inneren Auge erzeugen. Diese Kraft und Euphorie des Spiels schonten sich vor keiner Frage, vor keinem Abgrund. Wir wurden in etwas hineingezogen, aber wo war und ist Alice wirklich: Im All oder in ihrem Kopf? Die Deutung bleibt dem Zuschauenden selbst überlassen. Dieses Stück möchte man von den Künstler:innen in 20 Jahren unbedingt noch mal sehen!
PAPERLICIOUS
Eine dystopische Grundstimmung in dem weiß grauen Büro mit fast zombiehaft agierenden Menschen bricht auf durch ein Blatt Papier. Erst vorsichtige und kleine, sehr poetische Bewegungen, die sich vergrößern, erzeugen eine Lawine der Selbstermächtigung. Die enorme Präzision der Spielerinnen, die virtuose Körperlichkeit, oft synchron, lässt wenig aus und ist beindruckend. Da kommt etwas ins Rollen. Das erdrückende Machtsystem, die Konformität, der sich verselbstständigende Alltag, die Sehnsucht nach Sinnhaftigkeit, die inneren und äußeren Dämonen, das Sehnen nach zu Hause, der Drang nach Freiheit und dann der Ausbruch daraus. Dann verhandeln die immer lebendiger werdenden Wesen, die Gewalttätigkeit in der Normalität, die offenbleibenden Fragen, die Angst, die Ohnmacht und die Hoffnung, den Mut und die Aktion. Sie handeln. Können Sie mit der neuen Freiheit umgehen? Eine Grandiose Idee mit virtuosem Spiel lebendig und verstörend umgesetzt, durch hervorragenden Sound und Licht vergoldet. Und- alles ohne ein einziges gesprochenes Wort.
HUNGRIGES HERZ
Da ist Sie, eine von den Frauen, die verlassen wurden und nun mitten im Leben damit klarkommen soll, mit all dem Schmerz und der Wut umzugehen. Die Entwicklung zur wieder selbstbestimmten Person durchlebt Sie, mit einer vielfältigen Mischung von Liedern, mal melancholisch, mal tief und oft mit viel Humor. Die Authentizität, das pure und wunderbar uneitle Spiel lässt uns teilhaben an den Brüchen und dem Seelenschmerz, der eben auch zur Liebe gehört. Witzige und kleinteilige Spielvorgänge unterstützen uns immer wieder mit einem Lächeln, davon überzeugt zu sein, das es irgendwann auch wieder gut sein wird. Egal, ob es den „Richtigen“ überhaupt geben kann und wird.
SCHLAFSTADIUM N
Wie kann das sein im vollen Bewusstsein von dieser Welt gehen zu müssen? Mit wenigen Mitteln und großer Präzision im Spiel mit den Körpern und auch den Puppen, gelingt es Räume zu eröffnen, die verstören. Ohne zu werten ziehen uns die Künstlerinnen hinein ins Ich und das Gehirn der zum Leben im Sterbeprozess erwachten Puppe. Es schmerzt, die Hilflosigkeit so mitzuerleben und die Ohnmacht zu ertragen, wenn das Ich – Gehirn noch voll da ist und der Körper nicht mehr kann. Kommt der Tod mit übergroßem Kopf um den Menschen zu holen, wird die Unerträglichkeit humorvoll durch den Song „Knocking on heavens door“ dazu gebrochen. Das pulsierende Hirn, als medizinische Aufnahme immer wieder in Projektion auf der Wand, erzeugt ein starkes Bild. Ein mutiges Thema und sehr berührend.
ARSENIKBLÜTEN
Flirrend arbeiten sich 5 Frauen im „Bad“ an der Sehnsucht nach Nähe, dem nicht aushalten von Nähe, wenn sie da ist ab. Und auch: Streit, Gewalt, Eifersucht und allerlei Aggressionen im Innen und Außen. Das Publikum wird durch die fragmentierten Textsprengsel dazu gezwungen sich selbst den roten Faden zu spinnen. Und um was es geht bleibt unserer Fantasie überlassen.
CLOCKWORK ORANGE
Mit Leidenschaft und großer Spielfreude schlüpfen die Spieler:innen in die verschiedensten Charaktere des Stückes und zeigen uns ihre Interpretationen der Bösartigkeit und Gewalt, die letztlich immer eine Folge der bösartigen und gewalttätigen Erziehung durch deren Umfeld ist. Auf leerer Bühne erschaffen Sie beklemmende Räume und schonen sich nicht, was sie mit hohem körperlichen Einsatz unterstreichen. Wenn es mal lustig wird, bleibt das Lachen jedoch gleich wieder im Hals stecken. Und jede:r ist mal dran Täter oder Opfer zu sein.